Wie hoch wohl die Windstärke der Weltsituation gerade ist? Wahrscheinlich mehr als eine frische Brise in Stärke 5. Eher 8 oder 9, so um die 80 km/h?
Der Sturm tobt. Ukraine, Russland, Israel, USA. Die innenpolitische Situation: Neuwahlen, wirtschaftliche Fragen, bildungspolitische Sackgassen, alle Not in der Problematik bei und für Migranten, fehlende klimapolitische Einigkeit, Brennpunkte weltweit, Hungerkatastrophen und deren Ursachen, die in den Nachrichten gar keinen Platz mehr finden. Nein, es wird kein politischer Beitrag. Eher ein radikaler, einer, der die Radix (Wurzel) betont.
Der Sturm tobt, die Wurzel hält.
Was sind die angesagten Verhaltensweisen im Sturm für Christen?
Was sollen wir tun? Dringlicher formuliert: Was müssen wir tun? Vielleicht etwas verzagt, ehrlich ausgesprochen: Können wir überhaupt etwas tun?
Auch wenn der Sturm tobt, hat Gültigkeit, was Jesus seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen als Auftrag gegeben hat. Es braucht nichts Neues. Alles ist da – das wird genügen. (Eine feste Burg ist unser Gott Ps. 46,2.3)
Im Sturm muss nichts Neues erfunden werden und auch sonst nicht.
Wir dürfen schlicht bei unseren Wurzeln bleiben, die halten:
Seid Salz, seid Licht. Betet, dankt, klagt und lobt. Lest in meinem Wort und vertraut. Packt mit an und seid barmherzig. Macht Jünger, heilt und treibt Dämonen aus. Übt euch im Gehorsam und pflegt Gemeinschaft untereinander. Feiert Abendmahl, bekennt eure Schuld und lasst euch ermutigen, dass euch vergeben ist. Antwortet mir immer wieder auf meine Frage, meine Sehnsucht nach Beziehung mit euch: liebst du mich? Kommt an mein Vaterherz, seid Kind bei mir und tankt auf – Vertrauen und Trost, Kraft und Zuversicht. Werdet euch eurer Identität gewiss: Ihr seid meine Kinder. Lebt als solche im Heute.
Ja, das ist tatsächlich noch nicht alles. Lasst uns das in den nächsten Wochen einfach persönlich ergänzen.
Was mir allerdings noch wichtiger erscheint: Lasst es uns umsetzen und leben.
Wenn es dunkel wird im Sturm, wird das Licht in dir leuchten, und das kommt heller rüber, als wenn die Sonne scheint. Stell es auf einen Leuchter (Mt.5). Du hast Grund zur Hoffnung.
Lasst uns wieder regelmäßig in der Bibel lesen, nicht als Muss, sondern als Quelle zum Leben, zur Inspiration, als Vorbereitung auf das, was uns im Sturm so alles um die Ohren fliegt. Sein gutes Wort ist doch Schild und Schutz und Wahrheit und …
Üben wir uns in Barmherzigkeit, gerade mit denen, die für uns unverständliche Standpunkte beziehen, aus anderen Ländern kommen, ausgegrenzt und abgelehnt sind, die arm sind und ohne Perspektive.
Feiern wir Abendmahl, nicht nur einmal im Halbjahr. Tut das, bis ich wiederkomme, sagt Jesus. Wir antworten: „Groß ist das Geheimnis des Glaubens. Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Das stärkt unseren Glauben für den stürmischen Alltag.
Kindsein beim Vater. Das ist neben der Identitätssicherung auch eine Kraftquelle für das Leben als Erwachsener. Beim Vater kann ich Kind sein, unbeschwert und sicher, versorgt und umsorgt zu werden. Da ist volles Interesse und Angesehen werden. Verwundetes wird heil. So gestärkt kann ich meinen Mann oder meine Frau stehen, bei herausfordernden Windstärken draußen - und andere im Windschatten mitnehmen, ermutigen und aufmuntern und auch Widerstand leisten, wenn es angebracht ist.
Es lohnt sich, manche Umbrüche in der Geschichte der Kirche auf die gesellschaftlichen Stürme hin zu bedenken, die in jener Zeit am Wehen waren.
Was tat ein Benedikt, ein Franziskus, eine Theresa, ein Luther, ein Loyola, ein Zinzendorf, ein Martin Luther King, ein Georg Miller, eine Madeleine Delbrêl? Wieder nur eine Miniaturauswahl zum einen, zum anderen gehören jeweils viele Gefährten und Gefährtinnen dazu. Sie lebten bewusst und aktiv in den Stürmen ihrer Zeit. Mit einer nahezu heiligen Radikalität.
Sie taten das, was Christen tun sollen: In die Nähe Gottes rufen, ins Gebet, den Armen dienen, dem Luxus fliehen, mutig dem Trott entgegenwirken, Christus in die Mitte stellen, Land an vertriebene Glaubensgeschwister verschenken, zum vertieften Glauben anleiten, der Ungerechtigkeit die Stirn bieten, Waisenkindern Heimat schenken, im Arbeiterviertel mitleben und Jesus im Heute scheinen lassen, Hoffnung stiften, sich selbst vergessen, demütig sein, Gott ehren im Dreck der Welt, hier stehen und nicht anders können, viel beten, weil viel zu tun ist, einen Unterschied machen. Oder um Madeleine Delbrêl (1904-1964, Mystikerin, Poetin, Sozialarbeiterin und von Jesus ergriffene Frau, konvertierte Jüdin) zu zitieren:
„Heute, in der heutigen Welt und heutigen Zeit lauschen, was der Herr seit jeher für heute von uns will, für die heute lebenden Menschen, für unsere heutigen Nächsten und bitten, dass wir es sehen und begreifen.“
„das Evangelium in uns Fleisch werden lassen“,
„Inseln göttlicher Anwesenheit sein für alle Menschen“,
„Christ sein in einer Welt ohne Gott“ mit „Liebe als einzige Aufgabe“.
*aus dem Magazin: Jesuiten 2024-4, S.3; S.12 www. Jesuiten.org)
Sollte sich jetzt diese lähmende Frage einschleichen, dieses entmutigende Gift, das aus zu viel Nachdenken und mangelndem Vertrauen herauskriecht: „Sollte Gott das wirklich so meinen, oder gesagt haben? Aber, wenn … nein, ich bin doch dazu nicht geeignet, die Not ist doch viel zu groß…“ empfiehlt es sich, nochmal die Geschichte von dem jungen Hirten aus 1. Samuel 17 zu lesen. Ja, genau, da war ein Heer, das eigentlich im Namen des Herrn unterwegs war, das schon oft den Allmächtigen erlebt hat, sich nun allerdings von einem aufgeplusterten Vorkämpfer einschüchtern ließ, der auch wirklich mächtig bewaffnet war – allein die Speerspitze wog an die sechs Kilo. Dieses Heer durfte zusehen, wie ein junger Kerl diesem Riesentyp entgegentrat. Wir wissen nicht, was die erfahrenen Kämpfer gedacht und gefühlt haben. Was wir wissen, ist: David legte mit unglaublicher Leichtigkeit den Stein in die Schleuder und traf im Namen des Herrn der Heerscharen Goliat an der Stirn. Ganz schön radikal der Junge.
Ja, er hatte die richtige Blickrichtung, hin zur Wurzel, zum Allmächtigen, zum Ewigen, zu dem, der sich nicht ändert, der bleibt und Halt gibt - in jedem Sturm.