Brauchen wir einen neuen „Mauerfall“? Die Frage beschäftige mich in der Vorbereitung für unseren Gottesdienst am 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit.
Nach 33 Jahren haben wir haben uns wieder an die Wunder erinnert, die zu diesem Ereignis der Wiedervereinigung geführt haben. Dabei ging es beim Erinnern nicht um nostalgische Gefühle, sondern Erinnern ist eine erneuerbare Energie für das Heute mit all seinen Herausforderungen. Und so stellt sich die Frage: Wo stehen wir nach 33 Jahren Mauerfall und Wiedervereinigung? Könnte es sein, dass wir einen neuen Mauerfall im übertragenen Sinn brauchen, damit sich Herzen neu berühren können?
So entstand das Thema des Gottesdienstes: Wenn Herzen sich berühren, öffnen sich Horizonte. Die Steinmauer von damals ist abgerissen, aber haben wir in den letzten Jahren, besonders in den letzten 3 Jahren wieder eine unsichtbare Mauer aufgebaut, die den Weg zueinander versperrt und verhindern will, dass sich Herzen berühren.
Die Auslöser scheinen vielfältig: unerfüllte Versprechen, fehlende Chancengleichheit, gegenseitige Überheblichkeit, alte Denkmuster in „Ost und West“ brechen wieder auf. Konträre politische und wirtschaftliche Überzeugungen und die daraus folgenden Bewertungen und Maßnahmen. Die „Mauer durchzieht Gemeinde und Familien. Manch kunstvolle Themenvermeidung im Freundeskreis ist notwendig, um nicht gleich in unversöhnlichen Streit zu geraten.
Wie kann diese Mauer fallen?
Paulus berichtet in seinem Brief an die Epheser im 2. Kapitel von solch einem Mauerfall. (Eph 2,11-18) Vers 14: „in Christus selbst ist unser Frieden, ER hat aus beiden, aus den Juden und den Völkern, ein Ganzes gemacht. Er hat die Mauer niedergerissen, die sie trennte. ER hat die Feindschaft zwischen ihnen beseitigt, indem er seinen Leib hingab.“ Paulus sagt in diesem Abschnitt, der Friede, die Versöhnung mit Gott führt und befähigt zum Frieden miteinander. Gott macht aus Zweien, die nicht zusammenpassen ein neues Ganzes. Er handelt an uns und dann mit uns. Wir brauchen es neu, dass er unsere Herzen berührt, damit unsere Herzen zusammenkommen. Er will uns neu befähigen einander mit Augen der Liebe zu sehen (Röm 5,5) Was könnte dabei helfen?
Ein neuer Entschluss zuzuhören und zu verstehen. Den anderen nicht von meiner Meinung überzeugen zu wollen. Verstehen bedeutet nicht, sich der Meinung des Gegenübers anzuschließen, sondern zu akzeptieren, dass die Person so denkt und fühlt, weil sie ihre Gründe dafür hat.
Ein Zweifaches scheint mir dazu hilfreich zu sein:
Herzen berühren sich, wenn wir über unsere Ängste reden und nicht über unsere Positionen. Dabei lassen wir einander ins Herz schauen. Soweit das Erste. Zum anderen wenn wir darüber reden, was uns Hoffnung macht und Zuversicht gibt.
Hoffnung in den Herausforderungen unserer Zeit bedeutet nicht, dass sich die Probleme lösen oder es wieder wird wie früher. Christliche Hoffnung heißt: ER GEHT MIT. Oder wie es Karl Barth formulierte: ER REGIERT. Aus dieser Wirklichkeit hat er Kraft geschöpft inmitten der geschichtlichen Realität des Dritten Reiches.
In diesem Sinne wünsche und bete ich um einen Mauerfall zuerst unter den Christen, damit wir Perspektiven der Hoffnung haben und diese weitergeben können.